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In Rainer Wolfs Spiele-Oase herrscht auch im Hochsommer keine Dürre: Neben der Soliden Spediteurs-Simulation "Delivery Agent" entsprangen der Quelle dieser Tage noch drei weitere "Soft Drinks" (Odyssee, Ballistic Diplomacy & Brain Challenge).

Das ambitionierteste Werk der Spiel-Troika ist zweifellos diese Versoftung der Abenteuer des alten Odysseus. Der große Grieche hockt zu Beginn mit drei Kumpanen in der Kneipe, säuft sich die Hucke voll und philosophiert darüber, wie er die jahrelange Belagerung Trojas endlich siegreich beenden könnte. Da fängt der Wirt plötzlich an, vom verwunschenen Keller unter seiner Kaschemme zu schwafeln, der neben unaussprechlichen Gefahren auch ein Orakel beherbergen soll.

Und weil so ein richtig schön orakelndes Orakel unserm Quartett gerade sehr gelegen käme, macht man sich schnurstracks auf die Sandalen, um das unterirdische Gewölbe zu durchstöbern...

Die Story hört sich in Euren Ohren aber schwer nach einem Rollenspiel an? Der Kandidat hat 99 Punkte: Das jeweilige Ambiente der verschiedenen Umgebungen präsentiert sich aus der "Ultima"-Perspektive in einem mäßig großen, mäßig hübschen und bei jedem Schritt mitruckelnden Grafikfenster, herumliegende Items nimmt man beim Drüberlatschen per Klick auf, und gezaubert werden darf natürlich auch.

Ja, überhaupt umweht eine starke Fantasy-Brise unsere historischen Helden, denn im Party-Bastelset sind beneb den üblichen Dieben und Kriegern so absonderliche Gestalten wie Nixen oder gar Halbgötter erhältlich, deren Wiege ohne weiteres bei den Titane, Zyklopen oder gar Schmetterlingen (!) gestanden haben darf.

Bliebe noch zu erwähnen, daß eine Menge spezieller Fähigkeiten wie Untersuchen, Spurenlesen, Tanzen oder eben Zaubern der Anwendung per Maus und Menü harren und daß man gelegentlich sogar via Keyboard-Tipperei mit einigen NPCs Konversation treiben kann.

Das klingt bisher ja recht ordentlich, in der Praxis ist es mit Old Oddys Mannen aber doch nicht so weit her: Erstens muß man seine Schützlinge ärgerlich oft mit irgendwelchen Fressalien füttern, damit sie nicht binnen kürzeter Zeit schlappmachen, zweitens trägt die umständliche Menü-Iconsteuerung nur wenig zur Erheiterung des Spielers bei - Objekte lassen sich erst dann näher betrachten, wenn sie jemand ind "Dungeon-Master"-Inventory gestopft hat, und das vertrackte Magiesystem treibt ohne vorherige Handbuchlektüre selbst gestandene Rolli-Freaks in den Wahnsinn.

Da kann auch der hübsch gesampelte und sehr dramatische Titelsound nicht mehr viel retten; sparsame Rollenspieler mit Qualitätsanspruch werden wohl lieber zum Avalon-Duo (Dungeon of Avalon I & II) der "Amiga Fun" greifen. (jn)