Um den Anspruch auf gediegenes Computer-Entertainment werbewirksam zu untermauern, hat die Plöner Softwareschmiede ein eigenes Modewort kreiert: "Artventures". Das Stundenglas soll sozusagen eine neue Ära der klassischen Abenteuerspiele einläuten, und alte Infocom-Hasen werden derlei Wiederbelebungsversuche sicher zu schätzen wissen. Zumal auch die philosophisch angehauchte Story über die Hektik und Unrast unserer heutigen Zeit recht anspruchsvoll ist:
Sir Glanfoss war vor 80 Jahren dem Geheimnis der Zeit auf der Spur, seine Nachforschungen führten ihn in ein tibetanisches Kloster. Dort fand er eine merkwürdige Truhe, die in ihrem Inneren eine Märchenwelt barg. Doch dann zerstörte eine Naturkatastrophe Kloster und Truhe: erst kurz vor seinem Tod fand der Wissenschaftler heraus, dass noch ein Gegenstück der interessanten Schachtel existiert. Also fasste er seine Erkenntnisse zusammen, schickte alles dorthin, wo er Truhe Nummer zwei vermutete, und starb...
Das Spiel beginnt im Jahre 2012, nachdem eine weltweite ökologische Katastrophe die Menschheit heimgesucht hat. Durch Zufall entdeckt unser Held die Truhe samt den dazugehörigen Aufzeichnungen. Natürlich erkundet er deren Innenleben und macht Bekanntschaft mit allerlei Magiern, Monstern und Fabelwesen, für die verschiedene Aufträge zu erledigen sind. Ziel der Übung ist es, binnen zwölf Tagen das verlorengegangen Stundenglas wiederzufinden, das den Lauf der Zeit regelt.
Alle befehle werden über die Tastatur eingegeben, wobei der deutsche Parser erstaunlich gute Arbeit leistet: Er versteht auch lange Schachtelsätze, nur sollte man darauf achten, die Objekte genau zu bezeichnen (z.B. Büchlein, nicht Buch). Die Rätsel sind knackig und originell, die Texte humorvoll, außerdem kann und muß sehr viel kommuniziert werden. Insgesamt trifft man auf 20 verschiedene Personen, es gibt über 100 Räume und 25 Farbgrafiken - leider in ziemlich bescheidener Qualität. Auf Sound wurde konsequent verzichtet, noch nicht einmal eine Titelmelodie durchbricht die Stille. Bedienungskomfort hat man dafür großgeschrieben: Die wichtigsten Befehle wurden auf die F-Tasten gelegt, und man kann sich vom Drücker ein Protokoll erstellen lassen. Eine interne Uhr informiert über die Tageszeit im Spiel und simuliert die für Aktionen verbrauchte Zeit, wobei das Limit von zwölf Tagen nicht zu eng gesteckt ist.
Man kann ohne Übertreibung sagen, dass Harald Krüger (Story) und Andreas Niedermeier (Programm) ganze Arbeit geleistet haben: Das Stundenglas macht möglich, was viele für unmöglich gehalten haben - ein deutschsprachiges Adventure, das (fast) an die Qualität früher Infocom- Games heranreicht! (wh)