Caribbean Disaster logo Amiga Joker Hit

Ikarion in den Bundestag: In Aachen steht man weiterhin fest zur "Freundin", was ja schon mal politisch höchst korrekt ist. Noch korrekter fanden wir allerdings diese politisch völlig unkorrekte Politsimulation der karibisch-witzigen Art!

Kurz nach der druckreifen Blattmacher-Satire "Mad News" gibt‘s von Ikarion nun also einen strategischen Inselurlaub in einer digitalen Bananenrepublik, den nach den DOSen-Intriganten jetzt auch Amiga-Amigos buchen können.

Die Umsetzung hat die Spieleschmiede dabei in die erfahrenen Hände von Silverstyle Entertainment gelegt, wo man auch für die in dieser Ausgabe erstmals vorgestellte Film-Sim "Der Produzent" verantwortlich zeichnet – und das Ergebnis kann sich mehr als sehen lassen: Abgesehen von minimalen Abstrichen bei der Menge an Grafik und Animationen sowie der im Vergleich zur CD-ROM-Fassung fehlenden Sprachausgabe, haben die Freunde der "Freundin" hier gut lachen!

Wer diese simulativ-satirische Kreuzfahrt in die Karibik bucht, landet als Solo-Politologe auf Mad Island. Auf Erholung darf man da allerdings trotz dreier Schwierigkeitsgrade weniger hoffen, schließlich geht es darum, gegen drei CPU-Konkurrenten im Kampf um das Präsidentsamt bzw. die Ministerien für Heer, Luftwaffe und Marine zu bestehen: Wer beim unabwendbaren Ausbruch der Revolution (= Spielende) die meisten Schäfchen ins trockene gebracht, sprich, den pompösen Altersruhesitz in die Arktis gestellt hat, darf sich als Sieger betrachten und sich einen schönen Lenz machen.

Die wortwörtliche coole Pension will allerdings mit umheimlich viel taktischem Geschick und noch mehr Gespür für politische Finessen der fiesesten Art erarbeitet werden. Hier wird munter korrumpiert, intrigiert, paktiert und abkassiert, wobei man nur auf dem Schleudersitz des Präsidenten die Möglichkeit hat, in eine noble Billa aus Packeis, in einen Rolls-Royce-Motorschlitten, in ein Treibhaus für Ananas inklusive Stauden sowie ein Konto bei der Polarbank zu investieren.

Das nötige Kleingeld hierfür kassiert der Präsi entweder vom russischen oder amerikanischen Botschafter – je nachdem, welchem der beiden er gerade am besten um diplomatischen Bart geht.

Wer sich allerdings zu fest im Palast einnistet, erlebt spätestens dann eine böse Überraschung, wenn die spiel-beendenden Revoluzzer in Aktion treten und den Inselchef kurzerhand auf einer schwimmenden Plastikinsel zum Teufel jagen: Gewinnen können also nur die Minister. Sie besitzen nämlich das Privileg, den Diplomaten die vier Teile eines ganz spezielles Fluchtgerätes abzuschwatzen.

Der einzige, aber um so gewaltigere Haken an der Sache ist jedoch der, daß diese Bauelemente immer abwechselnd bei den Herren Ham Burger bzw. Iwan Bolschewiki erhältlich sind. Man muß sein politisches Fähnchen also mal mit dem West- und mal mit dem Ostwind wehen lassen, damit je nach Ministerium Beamgerät, UFO oder Rakete termingerecht bereitstehen.

Anders gesagt: Nur flexible Windhunde können hier das Rennen machen, da es unerläßlich ist, hin und wieder en Posten zu wechseln. Gelegenheit dazu bieten Neuwahlen, die immer dann anstehen, wenn die drei Minister bei der allmorgendlich im Parlamentsgebäude stattfinden Abstimmung mehrheitlich einem Mißtrauensantrag zustimmen – dann geht es bis zum Sonnenuntergang auf Stimmenfang unter den alles in allem 14 Insulanern, die auch durch entsprechende Locations symbolisiert werden.

Um die Urnen im eigenen Sinne zu füllen, werden Wahlplakate mit aussagekräftigen Slogans erdacht und gedruckt, zündende Reden auf dem Dorfplatz gehalten, Lokalrunden in Lolas Bar geschmissen und unschlüssige Wechselwähler mit Schmiergeldern überzeugt.

Genügend Bares und die entsprechenden Connections vorausgesetzt, läßt man die Konkurrenz zudem über den Äther vom DJ des inseleigenen Radiosenders fleißig denunzieren.

Falls auch das nicht fruchtet, hilft eventuell ein Besuch beim Chef der örtlichen Geheimpolizei weiter: Gegen ein angemessenes Honorar unterzieht Herr Calzone störrische Fremdwähler einer Gehirnwäsche oder buchtet sie am Wahltag einfach ein.

Außerdem hält der hilfreiche Mann für unermüdlicher Spender allerhand Informationen über Kontostand und Sachbesitz der Gegenspieler bzw. da Image des Spielers bei allen Wahlberechtigten bereit.

Sollten aber selbst derlei drastische Mittel versagen, so hat die nach unten offene Subtilitätskala auf Mad Island ja noch schwerere Geschütze in Petto. Dann bricht man eben einen kleinen Bürgerkrieg von der Palme, wofür ebenfalls auf dem Eiland residierende Fabrikant Meiermann mit Vergnügen das als Muniton dienende Popcorn liefert.

Und bei Kardinal Woytila gibt es nicht nur die Absolution, sondern unter der Hand auch Zeppeline, Panzer und U-Boote zu Sonderpreisen. Mit diesem Arsenal können die Minister dann feindliche Gebäude oder Einheiten angreifen bzw. die eigenen verteidigen.

Jedes der Waffensysteme ist in drei verschiedenen Ausführungen erhältlich, wobei die Unterschiede in Sachen Reichweite, Feuerkraft etc. nebst der Möglichkeit, Einheiten außerhalb der gegnerischen Sichtweite für Überraschungsangriffe zu verstecken, für viel strategischen Freiraum sorgen. Nicht zu vergessen, daß bei Bedarf auch Beistands- und Angriffspakte geschlossen werden können.

Rein spielerisch kann die verrückte Insel also mit einigen liebsamen und noch mehr unliebsamen Überraschungen aufwarten, während bei der Präsentation auf eine bewährte Mischung aus "Mad News" und "Monkey Island" gesetzt wurde. Auch hier gibt‘s daher jede Menge hübscher und teils auch recht nett animierter Comicgrafiken, während stimmige Sound-Effekte und die feinen Karibikklänge aus der Feder von Chris Huelsbeck für die passende Urlaubsstimmung sorgen.

An der Steuerung ist ebenfalls nichts auszusetzen, denn eine Kontrollleiste mit diversen Icons ermöglicht den komfortablen Zugriff auf alle nötige Informationen, speichert bzw. lädt den Spielstand, stellt die Spielgeschwindigkeit ein oder den Sound ab und legt auf Wunsch auch ein kurzes Päuschen ein.

Im Textfenster am unteren Bildschirmrand scrollen derweil ununterbrochen Radio Rons Witzchen durchs Bild, deren Niveau irgendwo zwischen erträglich und platt pendelt.

Interaktiver Hauptbestandteil des Games ist aber die Inselkarte, die sich auch auf eine taktische Ansicht umschalten läßt. Allerdings mag es nach einem Mausklick auf die gewünschte Location je nach der Entfernung schon ein Weilchen dauern, bis die Limousine dort ankommt und in die vergrößerte Ansicht des Ziels gezoomt wird.

Es ist somit nicht gerade von Nachteil, wenn man den Karibiktrip auf einem A1200 (vielleicht auch gleich noch mit Turbopower) bucht, und eine Festplatte darf im Reisegepäck sowieso nicht fehlen. Aber das war ja schließlich auch anno "Mad News" nicht anders und sollte von daher niemand von der Reise abhalten.

Erst recht nicht, wenn die große Fahrt geplant ist: Obwohl sich im vorbildlichen und schick aufgemachten Handbuch ein eigener Abschnitt mit praktischen Tips und Tricks bezüglich der richtigen Taktik und Strategie findet, ist Caribbean Disaster nämlich gewiß kein leichtes Spiel.

Bis man ein probates Erfolgsrezept für das unbeschwerte Pensionärsleben am Pol gefunden hat, werden also viele unterhaltsame Stunden vergehen: selbst dann, wenn man das hier inoffiziell zugrundeliegende Brettspiel "Junta" kennt. Aber genau das erwartet unsereins schließlich von einer simulativen Polit-Satire, die ihre Wähler mit tausenderlei Gags und einem (hinter-) sinnigen Gameplay bei der Stange zu halten versteht!

Fazit: Selbst wenn Caribbean Disaster am Amiga ein Modem-Modus für zwei Polit-Gauner fehlt und Komplexität und Handlungsmöglichkeiten nicht ganz an das Niveau von "Mad News" heranreichen, spielt das Programm doch vielleicht gerade deshalb sehr flot..

Daher gibt‘s auch diesmal wieder einen Hit für Ikarion – schließlich muß hier wenigstens der Joker politisch korrekt handeln… (st)